Rede von Hedi Kirst - im
Wortlaut
"In vielen Köpfen bestehen noch
erhebliche Defizite, lassen sie uns daran arbeiten"
Beigeordnete Hedi Kirst
eröffnet die Ausstellung "Wir kochen vor Wut".
Meine Herren,
meine Damen,
wie schön, dass
Sie gekommen sind und ich hoffe, es ist eher die Kür als
die Pflicht, die Sie hier her führt. Ich würde heute
nicht hier stehen, wenn es Marie Jany nicht gegeben
hätte. Und ich würde heute hier nicht stehen, wenn ich
nicht vor Wut gekocht hätte!
Vor ein paar
Wochen, als im Landratsamt die Ausstellung „Wir kochen
vor Wut“ eröffnet wurde. Was war passiert? Beim Betreten
des Saals wird mir ein Kochlöffel überreicht. War ja
sicher gut gemeint. Aber ein Kochlöffel? Jahrhunderte
lang wurde uns Frauen als Zuständigkeitsbereich genannt:
Küche – Kirche – Kinder. Und dann kam der offizielle
Teil. Es hat die Initiatoren ja ausgezeichnet, dass sie
Professorin Süssmuth als Rednerin verpflichten konnten.
Aber dann sprachen Männer, Männer, Männer. Als hätten
sie das Frauenwahlrecht erfunden.
Die hatten wohl
vergessen, dass der Begriff „Damenwahl“ nicht bedeutet,
sich einen Tanzpartner zu wählen, sondern dass auch die
Damen wählen dürfen – politisch.
Es ist ein Segen
für das Land, dass seit jetzt 100 Jahren Frauen mit über
die Geschicke des Landes bestimmen.
Bis dahin war es
ein weiter Weg. Die Suffragetten warfen Bomben, die
Damen Augspurg und Heymann forderten den Eheboykott und
zahlreiche Männer sprachen vom nationalen Selbstmord,
wenn die Frauen wählen dürften. Und auch Pfarrer warnten
vor dem Frauenwahlrecht. Aber die hatten im Mittelalter
ja auch behauptet, Frauen hätten keine Seele.
Dabei haben viele
Männer vergessen, welches Leid sie in den Jahrhunderten
Frauen antaten und welchen wirtschaftlichen Schaden sie
dem Land zufügten. Denn das Frauenwahlrecht war ja nur
der Anfang einer Entwicklung, die immer noch nicht
abgeschlossen ist.
Denken wir mal an
Cornelia Schlosser oder Maria Anna Walburga von
Sonnenburg.
Kennt keiner?
Cornelias Mädchenname? Na, Goethe und Maria Anna, das
Nannerl, war die Schwester von Mozart. Beides Frauen –
hochbegabt. Nicht minder fähig Geschichte zu schreiben,
wie ihre Brüder. Die Liste der Frauen, die intelligent
waren und todunglücklich wurden kann fortgesetzt werden.
In vielen
Dokumenten ist heute das Frauenwahlrecht, die
Gleichberechtigung festgeschrieben. In vielen Köpfen
bestehen da noch erhebliche Defizite. Lassen Sie uns
daran arbeiten.
Es sei denn, die
Alternative anderer Frauen, die die Welt nachhaltig
veränderten, ist erstrebenswert. Da wäre zum Beispiel
Katharine die Große. Ihr Weg zum Bau von Schulen,
Waisenhäusern, Krankenhäusern Expeditionen nach Sibirien
oder Gründung neuer Städte führte zumindest über eine
Leiche –die ihres Ehemanns.
Wie auch immer,
meine Damen, sie sich entscheiden: Packen wir es an und
lehren wir die Männer, dass Frauen unstreitig
Geschichten machen aber eben auch Geschichte.
Und an dieser
Stelle ein großes Kompliment an das Engagement meiner
Mitstreiterinnen im Gemeindevorstand Silvia Best,
Marlies Chwalinski und Helga Stadler und an Regine
Schüßler, deren Wirken weiter über die Organisation
dieser Ausstellung hinausgeht.
Frauen haben
Vorbildcharakter, wie diese Ausstellung zeigt. Und weil
Nauheim der Nabel der Welt ist und Vorbildcharakter hat,
wird unsere Ausstellung von Frauen eröffnet.
Eine Vervielfältigung dieses
Beitrags für private Zwecke ist erlaubt.
Eine Weiterveröffentlichung
auch und gerade in sozialen Medien bedarf der
ausdrücklichen
Genehmigung von Nauheim-Online.