In Nauheim entdeckt (1) - freier Zugang

Faszinierendes über den Schmalflügligen Pelzbienenölkäfer - von S. Weber-Lister

Entdeckt in Nauheim.

 

Der Erhalt von Natur, Umwelt und Art(en) liegt wohl jedem am Herzen. Es funktioniert nicht ohne Wissen. Gut ist es, wenn sich Menschen wie Sigrid Weber-Lister eingehend mit der Materie befassen. Damit andere daran teilhaben können, veröffentlicht sie in loser Folge auf Nauheim-Online lesenswerte Beiträge. Hier Teil 1 über ein besonderes Insekt, den Schmalflügeligen Pelzbienenölkäfer.

Von Sigrid Weber-Lister

Fliegen ohne Flügel. Ein Menschheitstraum, den sich manch gestrandeter Thomas-Cook-Kunde sicherlich gerne auch ohne gebuchten Flugzeugplatz erfüllt hätte.

Fliegen ohne Flügel. Für Ölkäfer seit Millionen von Jahren normal, denn Ölkäfer reisen als blinde Passagiere. Allerdings wird ihr „Flugzeug“ ohne Einwilligung des Fliegers und ohne Flugbuchung bestiegen, ihre „Flugzeuge“ sind unter anderem Wildbienen.

Ausgewachsene Ölkäfer reisen nicht als blinde Passagiere, nur ihre Larven, die ihnen so gar nicht ähnlichsehen und deswegen einen eigenen wissenschaftlichen Artennamen haben. Denn Leon Dufour, ein im 19. Jahrhundert lebender Naturforscher, der Ölkäferlarven als erster beschrieb, hielt sie für eine eigene Art und deswegen nennen Insektenforscher Ölkäferlarven nicht Ölkäferlarven, sondern Triungulinus (Dreiklauer).

Ölkäfer produzieren Cantharidin, ein Reizgift.

 

Gefährlich ist er, der blinde Passagier, nicht nur für seine Flugtaxis, den Wildbienen, deren Nachkommen er in der Nisthöhle auffressen wird. Getrocknet und pulverisiert hat er für das vorzeitige Ableben an einigen Herrschaftshäusern gesorgt, denn Ölkäfer produzieren Cantharidin, ein Reizgift, das in geringer Dosierung auch Warzen bekämpft und schmerzhafte Erektionen verursacht.

Leben im heißen Nauheim

Ölkäfer machen nicht nur Männer heiß, sie lieben auch selbst die Hitze und manche von ihnen leben sogar am liebsten in heißen Regionen, genauer gesagt im heißen Nordafrika, Südeuropa und inzwischen auch im heißen Nauheim.

Der, um den es hier geht, hat einen pompösen Namen: Schmalflügeliger Pelzbienenölkäfer. Gemessen an seiner wahren Größe langt es höchstens für ein paar Buchstaben. „Schmalflüg“ oder „Bienenölk“ wären angemessener. Für einen mit 10-Punkt ausgedruckten „Schmalflügeliger Pelzbienenölkäfer“ braucht man drei bis sieben Käferchen hintereinander aufgereiht, denn der Käfer ist nur zwischen sieben und 15 Millimeter lang.

Schwarz mit zwei gelben Flecken.

 

Trotz seiner geringen Größe und seines unscheinbaren Aussehens, schwarz mit zwei gelben Flecken, ist er eine wissenschaftliche Berühmtheit, nach der sogar öffentlich per Zeitungsartikel, im Internet und im Radio gefahndet wurde. Und nicht, weil er als blinder Passagier reist oder ein kleiner Gift- und Medizinhersteller ist, nein, gesucht wurde er, weil er die Hitze liebt, die Nauheimer Hitze, die den letzten Sommer so besonders gemacht hat.

Gesucht und gefunden

Johannes Lückmann, ein Insektenforscher aus Bensheim, hat den kleinen Ölkäfer mit dem zungenbrecherischen Namen Jahre lang gesucht und natürlich auch gefunden. Selbst ein Königstädter hat bei der Suche mitgeholfen, nachlesen kann man das in der von Lückmann herausgegebenen Studie (Titel vgl. unten).

Ihn zu finden, ist leichter geworden.

 

Einen Schmalflügligen Pelzbienenölkäfer in Deutschland zu finden ist seit den siebziger Jahren leichter geworden. Mit den hohen Sommertemperaturen ist auch dieser Ölkäfer mit dem langen Namen in diesem Sommer nach Nauheim gekommen. Und gemäß Johannes Lückmanns Forschungen findet man Sitaris muralis, den Schmalflügligen Pelzbienenölkäfer inzwischen in fast ganz Deutschland.
Auch ohne Flügel kann man sehr weit fliegen.

 

Mehr Infos

Literatur: Johannes Lückmann - Zur Verbreitung von Sitaris muralis in Deutschland und den angrenzenden Staaten.

Text, Fotos und Copyright: Sigrid Weber-Lister.
Bilder aufgenommen in Nauheim im Sommer 2019.

 

 

 


 

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